Arbeiten wir bald wieder alle im Büro?

Arbeiten wir bald wieder alle im Büro?

Auch wenn viele Mitarbeiter und auch Unternehmen die Remote Work inzwischen liebgewonnen haben, gibt es vielfach Überlegungen, Anreize für die Rückkehr ins Büro zu schaffen. Allen scheint klar, dass wir nicht flächendeckend und branchenübergreifend zu vollkommener Präsenzarbeit zurückkehren werden. Aber, vor allem Mittelständler, allen voran die Dienstleister, wünschen sich eine höhere Quote von Rückkehrern.

Der Gang ins Büro war viele Jahre lang gleichbedeutend mit festen Kernarbeitszeiten, starren Arbeitszeitmodellen und strikter Aufgabenverteilung. Doch inzwischen wird der Führungsstil und die Unternehmenskultur von Mitarbeitern häufiger hinterfragt als noch vor wenigen Jahren und der Wunsch nach kollaborativen, oftmals auch hybriden Präsenzformaten ist hoch.

Aber vergessen wir dabei nicht, dass zeitlich flexibles Arbeiten am heimischen PC längst nicht in allen Branchen möglich ist. Trotz des Kulturwandels waren Ende Januar rund 60 % der Arbeitnehmer überwiegend oder ausschließlich im Betrieb und das trotz steigender Zahlen im Home-Office.

Warum wieder zurück ins Büro?

Die Präsenzarbeit ist manchmal einfach eine Frage der Arbeitsergebnisse. Schon vor 2 Jahren gab es erste Hinweise darauf, dass die besser sind, wenn der Mitarbeiter im Büro ist. Rund ⅓ der damals durch das ifo-Institut befragten Chefs bestätigte diese Aussage. Als Gründe wurden die erschwerte Kommunikation zwischen Angestellten, die mangelnde Abstimmung und die Mehrbelastung für Mitarbeiter im privaten Umfeld genannt.

Bei einer Online-Umfrage über die Webseite von Heise online kam heraus, dass von über 26.000 Teilnehmern 23 %, also knapp ¼, im Büro arbeiten möchten. Während das in der IT-Branche am ehesten umsetzbar ist, sieht es in anderen Branchen anders aus. So zum Beispiel im Dienstleistungssektor, dem Handel und dem produzierenden Gewerbe sowie der Gastronomie und der Baubranche.

Arbeiten wir bald wieder alle im Büro?

Das Statistische Bundesamt hat Mitte Juni 2022 das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht, in dem klar wird, dass IT-Beschäftigte 2021 zu gut 75 % im Home-Office gearbeitet habe, aber im Gesundheitswesen das nur 5,4 % waren. Im Sozialwesen, dem Maschinenbau, der öffentlichen Verwaltung und bei der Produktion von Automobilen sind die Zahlen ebenfalls gering und unter dem durchschnittlichen Wert. Dieser lag europaweit bei 24,2 %, wobei Deutschland gesamt auf einen Home-Office-Anteil von 27 % kommt.

Die verborgene Wertschöpfung der Präsenzarbeit

Wertschöpfung definiert sich nicht nur durch optimierte Prozesse, moderne Software und motivierte Mitarbeiter. Vernetzte Kompetenz fördert die Selbstorganisation sowie die Selbstoptimierung und genau diese Kompetenz ist bei der Präsenzarbeit besser realisierbar als im Home-Office. Dazu ist die Prozessgestaltung und die Reaktionsgeschwindigkeit im Büro meist höher als bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden.

Um sich auf Marktveränderungen und Kundenwünsche anzupassen, müssen Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Kunden gehen da einkaufen oder bestellen dort, wo Kompetenz vorhanden ist. Das Wissen ist zum Kapital geworden und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. Effiziente Produktions- und Organisationsstrukturen werden durch die Vernetzung von Wissen gebildet. Das ist auch angesichts der immer kürzer werdenden Wertschöpfungszyklen in Betrieben notwendig. Fehlt das Wissen, die Kompetenz und die Vernetzung, agieren Unternehmen nicht zukunftsfähig.

Mit der kundenintegrierten Produkt- und Prozessgestaltung gehen Hierarchien verloren und die Kundenorientierung eines Unternehmens ist zunehmend durch die Vernetzung von Kompetenzen gekennzeichnet. So schön Flexibilität auch sein mag, kein Kunde möchte lange auf Antworten oder Lösungen für seine Probleme warten. Beratungsintensive Produkte oder Dienstleistungen, wie die Autoreparatur, erfordern kompetentes Agieren aller Mitarbeiter vor Ort.

Kunden-, Produkt- und Prozessorientierung sind mögliche Ausrichtungen für Unternehmensstrategien. Doch bei allen Kategorien erfordert das direkt oder indirekt die zentrale Abwicklung von Kompetenzen. Kompetenznetzwerke über Entfernungen und mit Verzögerung sind weniger produktiv als solche, die reaktionsschnell auf Veränderungen reagieren können und vor Ort, also bei der Präsenzarbeit, effizient auf das Geschehen Einfluss nehmen.

Chefs sind lieber im Büro

Moderne Unternehmensführung und zielorientierte Gestaltung von Arbeitsumgebungen gehören genauso wie flexible Arbeitszeitmodelle und Vertrauensarbeitszeit zum modernen Unternehmen. Während wir früher für viele Stunden im Büro gelobt wurden und uns durch Überstunden Anerkennung verdient haben, liegt der Schwerpunkt der Gegenwart mit Blick auf ein angenehmes Arbeitsumfeld auf anderen Werten.

Trotz dieser neuen Generation, den Millennials, die lieber im Home-Office als im Büro arbeiten wollen, lässt sich nun mal nicht jede Tätigkeit im Home-Office ausführen. Und auch nicht jede Position, denn nicht zuletzt sind auch die Chefs wieder zurück ins Büro.

Laut einer Studie von Accenture und McKinsey wollen 64 % der Chefs 4 oder 5 Tage im Büro sein. Vielen Führungskräften geht es der Studie nach um den drohenden Verlust von Kontrolle sowie Bedenken hinsichtlich der Einhaltung von Governance-Vorgaben. Ohne deutsche Chefs ist vieles nicht denkbar, zumindest wenn es nach der eigenen Überzeugung geht, wie die Zahlen verraten.

Und mal ehrlich, wer hat sie nicht, die unterdurchschnittlich leistenden Kollegen? Kollegen, die ohne etwas Druck der Chefetage ihre Vorgaben nicht erreichen oder solche, die private Erzählstunden der betrieblichen Datenanalyse vorziehen. Gegenseitiges Vertrauen ist eine feine Sache, aber zu viel Offenheit im Job ist nicht sinnvoll. Denn je mehr Mitwisser für berufliche wie private Geständnisse es gibt, umso weniger erfolgreich sind Mitarbeiter, so die Karrierebibel.

Arbeiten wir bald wieder alle im Büro?
https://karrierebibel.de/offenheit-im-job/

Ist jeder Mitarbeiter produktiv im Home-Office?

Egal, ob rücksichtslose Karrieristen, faule Parasiten, hinterhältige Mitstreiter oder doppelzüngige Bürogenossen – schwierige Kollegen hat jeder von uns schon mal erlebt. Wie verhalten die sich aber im Home-Office? Ist Kontrolle bei einer gewissen Gruppe Kollegen sinnvoll und wie kann diese im Home-Office gelingen? Die Gefahr lauert auch dahingehend, dass sich zwar der Großteil der Arbeitnehmer im Home-Office als produktiver einschätzt, die Zahlen aber eine andere Sprache sprechen.

Bei einer Befragung von 7.000 Arbeitnehmern durch die Krankenkasse DAK gaben 56 % an, sich selbst als produktiver einzuschätzen als bei der Präsenzarbeit. Aber nur 2,9 % der Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern berichtete laut den Ergebnissen von steigender Produktivität im Home-Office. Bei Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern waren es immerhin 8 %.

Die Möglichkeiten für flexible Arbeitszeitmodelle gehören für moderne Unternehmen heutzutage zur Notwendigkeit, wenn sie auch zukünftig motivierte Mitarbeiter haben wollen. Dass die angebotene Chance dann auch wirklich von jedem genutzt wird, ist zu bezweifeln. Zu viele Branchen ohne Möglichkeiten für Home-Office, unproduktive Mitarbeiter und mangelnde Vernetzung von Kompetenzen stehen den hybriden Modellen jedoch hinderlich gegenüber. Wir werden nicht wieder alle im Büro arbeiten, denn das war auch während der Home-Office-Pflicht der Bundesregierung nicht möglich. Es entsteht vielmehr eine sich verändernde Kultur des Arbeitsklimas, der Wertvorstellungen von Mitarbeitern und den angebotenen Optionen. Ob diese dann angenommen werden können oder nicht spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.