Management trifft Mensch – Der Bier-Faktor im Bewerbungsgespräch
Algorithmen ersetzen keine persönlichen Gespräche, das ist eine Erfahrung, die wir täglich in den Interviews mit Kandidaten machen. Die menschlichen Eigenschaften sind mindestens genauso wichtig, wie die fachlichen Qualitäten. Gerne zitieren wir hier ein Plädoyer für das persönliche Gespräch aus dem aktuellen Spiegel, 14.02.2017:
Um bei Einstellungen vorurteilsfrei über Bewerber zu entscheiden, setzen Unternehmen verstärkt auf Algorithmen. Das löst viele Probleme, schafft aber auch neue. Am Ende landet mancher Personaler bei alten Kriterien.
Eine Kolumne von Klaus Werle
Als Manfred noch jung und gerade in der Personalabteilung eines großen Energiekonzerns eingestiegen war, nahm ihn sein Chef nach einem Gespräch mit einem Bewerber einmal beiseite und sagte: „Wissen Sie, wir können uns hier lange über Lebensläufe und Abschlussnoten beugen. Für mich zählt am Ende nur eins: Würde ich mit dem, der sich hier bewirbt, gerne ein Bier trinken?“
Manfred war beeindruckt ob der genialen Fähigkeit seines Vorgesetzten, Komplexität zu reduzieren. Er brauchte ein paar Jahre, bis er begriff, dass die schöne Sentenz alles andere als originell und im Gegenteil der notorisch dahingeraunte Satz alter Personal-Haudegen war, die keine Lust hatten, sich stundenlang mit Lebensläufen und Abschlussnoten zu beschäftigen.
Dessen ungeachtet nahm er, als er selbst die Karriereleiter nach oben kletterte, den Satz ebenfalls in sein Standardrepertoire auf. Und mehr noch: Er hielt sich auch daran. Manfred, der ziemlich gut Tennis spielte, eine private Uni besucht hatte und gerne reiste, stellte eine Menge Menschen ein, die Tennis spielen und weltmännisch von ihrer Zeit in Kuala Lumpur oder Montevideo plaudern konnten. Gerne übrigens bei einem Bier.
Das ging viele Jahre gut, Manfred stieg zum Personalleiter eines recht großen Mittelständlers auf. Eines Tages sagte der Geschäftsführer zu ihm: „Mein lieber Manfred, ich habe das Gefühl, Ihre Truppe ist nicht divers genug.“ Manfred nickte nachdenklich. „Das ist kein Vorwurf“, fuhr der Geschäftsführer fort, „wir alle lassen uns von unseren Vorurteilen lenken. Aber jetzt gibt es ja Abhilfe. Warum probieren Sie das nicht mal aus?“
Manfred nickte erneut, und wenige Tage später war er in der Welt der „People Analytics“ angekommen, in der die auf Algorithmen basierte Auswertung riesiger Datenmengen bei Einstellungen oder Beförderungen unterstützt. Maschinen treffen bessere Entscheidungen, das ist die Idee dahinter, und diese Idee ist seit Jahren eins der heißesten Themen auf Personaler-Konferenzen. Software-Konzerne haben aus den Algorithmen Produkte gestrickt, die zum Beispiel „Success Factors“ (SAP) heißen, „Taleo“ (Oracle) oder Workday. SAP hat den Programmen eine schicke Überschrift verpasst: „Business beyond bias“ – Geschäftsentscheidungen ohne Vorurteile.
Die kühle Brillanz der Non-Bias-Maschine
Statt mit dem Bewerber ein Bier zu trinken und über seine sportlichen Vorlieben zu parlieren, durchkämmen die Programme Lebensläufe oder Einträge in sozialen Netzwerken, analysieren Daten und Texte und suchen Muster. Alles, ohne auf Geschlecht, Herkunft oder Sympathie zu achten. Völlig neutral und unbestechlich. Eine prima Sache, das musste sogar Manfred zugeben. Gut, er vermisste das Biertrinken, aber er zog seinen Hut vor der kühlen Brillanz, mit der die Non-Bias-Maschine Kandidaten herausfilterte, die einer pfiffiger waren als der
Nach einigen Monaten jedoch tauchte ein kleines Problem auf. Die frisch eingestellten Mitarbeiter waren zwar pfiffig und divers und der Geschäftsführer war zufrieden. Doch das Klima in der Abteilung veränderte sich, wurde professioneller, aber auch einzelgängerischer. Immer öfter ertappte sich Manfred dabei, wie er lieber eine Mail schrieb, als mit dem Betreffenden direkt zu sprechen.
Manfred befragte einen Freund, Professor für Personalmanagement. Der Freund wies ihn darauf hin, dass selbst Algorithmen Vorurteile haben – weil sie von Menschen programmiert werden, die davon natürlich nicht frei sind. „Dein Problem ist aber ein anderes“, sagte der Professor, „es ist die soziale Komplexität menschlicher Beziehungen.“
Manfred nickte nachdenklich, obwohl er keine Ahnung hatte, wovon der Freund redete. „Menschen leisten am meisten im Team“, sagte der Professor. „Es geht also nicht nur um die Qualifikation, sondern auch darum, wie die einzelnen Mitarbeiter untereinander harmonieren. Das zu lösen, ist für die Programme zu komplex. Noch zumindest.“ Humor, Verlässlichkeit, Gefühle – all das lässt sich schwer messen, beeinflusst aber das Klima am Arbeitsplatz enorm. Und damit die Leistung aller.
Selbst bei Google haben sich die Mitarbeiter dafür entschieden, Entscheidungen über Beförderungen wieder von menschlichen Managern treffen zu lassen, obwohl der Algorithmus hervorragend funktionierte. Das schlichte Argument: „People should make people decisions.“
Pah, auch nicht viel besser als die Sache mit dem Bier trinken, dachte Manfred. Er behielt die Programme, ergänzte sie aber durch mehr klassische Bewerbungsgespräche. In denen er fortan nicht mehr nur Tennis gelten ließ, sondern sich auch für andere Sportarten interessierte. Funktioniert super seither. Selbst Curling ist doch spannender als gedacht, musste Manfred lernen. Vom Diversitätsfaktor ganz zu schweigen.
In dem Sinne freuen wir uns darüber, dass Erfahrung, Intuition und Menschenkenntnis auch in der digitalen Welt wichtig bleiben.
Viele Grüsse
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Jochen Barringer
Inhaber