Die Studie zur Vier-Tage-Woche zeigt Vor- und Nachteile. Viele Unternehmen wollen die alte Arbeitszeit behalten. Kommt dennoch eine 4-Tage-Woche in Deutschland?
Studienleiterin Julia Backmann beschreibt die häufig in den Medien beworbene Vier-Tage-Woche nicht als Allheilmittel. Die Pilotstudie zeigt, dass viele Unternehmen der Arbeitszeitregelung nicht offen gegenüberstehen. Aber wollen Arbeitnehmer drei Tage frei? Was sind die Nachteile der 4-Tage-Woche? Das sind die Fakten zum Arbeitszeitmodell!
Was ist die Vier-Tage-Woche?
4 Tage arbeiten, 3 Tage frei – fertig ist das Vier-Tage-Modell, das für viele ein Sehnsuchtsthema ist. Man könnte zunächst vermuten, jeder Arbeitnehmer schreit vor Jubel auf und Unternehmer winden sich bei dem Gedanken an die Kosten.
Aber wie so häufig gibt es zwei Seiten der Medaille, denn einerseits wollen die Arbeitgeber attraktiv werden und andererseits haben Mitarbeitende das Bedürfnis nach mehr Freizeit und einer verbesserten Work-Life-Balance.
Das Arbeitszeitmodell kann in zwei Varianten realisiert werden:
- Die wöchentlichen Arbeitsstunden werden auf vier Arbeitstage verteilt. Das würde bei 40 Stunden pro Woche aber bedeutet, die Arbeitszeit pro Tag verlängert sich. Statt 8 Stunden täglich müssen 10 Stunden pro Tag gearbeitet werden. Die verkürzte Arbeitswoche verursacht aber keinen Lohnverzicht.
- Mitarbeitende verzichten auf einen Teil ihres Gehaltes, um einen kompletten Tag zusätzlich freizuhaben. So könnte unter anderem der Freitag wegfallen, was ein langes Wochenende zum Erholen und einen Tag weniger Arbeit bedeutet. Die reduzierte Arbeitszeit führt bei dieser Variante aber nicht zu weniger Lohn oder Gehalt.
Bei einer Umfrage für die HDI-Versicherung aus dem Jahr 2022 wurden Teilnehmer befragt, ob sie eine Vier-Tage-Woche begrüßen würden. Dies bejahten mehr als drei Viertel der Befragten, wobei es vorrangig die jüngeren Arbeitnehmer waren, die sich für die Vier-Tage-Woche interessierten. Interessanterweise wollte die Mehrheit jedoch nicht auf Gehalt verzichten.
Die Universität Münster hat unter Aufsicht der Wirtschaftsprofessorin Julia Backmann ein Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet. Mit insgesamt 41 Organisationen begann die Phase bereits am 1. Februar 2024 und dauerte ein halbes Jahr. Die Ergebnisse sind überraschend, denn sie folgen nicht den typischen Erwartungen, und das Fazit fällt eher gemischt aus.
Was sagt die Studienleiterin Julia Backmann über das Pilotprojekt?
Während bei der HDI-Berufe-Studie noch vor allem die Gruppe der Berufstätigen unter 40 Jahren an der 4-Tage-Woche trotz finanzieller Einbußen interessiert war, ergab die Münsteraner Studie jetzt ein anderes Bild.
Die Viertagewoche wird zwar immer noch medial stark angepriesen. Doch die Ergebnisse des Pilotprojektes zeigen beispielsweise keine signifikante Verbesserung bei der Bewegungsmotivation von Mitarbeitenden oder einem verbesserten Umweltbewusstsein. Obwohl sie seltener zum Arbeitsort pendeln müssten, zeigte sich kein signifikanter Effekt auf die monatlichen Krankheitstage in den teilnehmenden Unternehmen.
Um tiefe Erkenntnisse zu erhalten, wurden im Rahmen des Pilotprojektes Haarproben der Beteiligten genommen. Mit ihnen sollte ermittelt werden, wie die Teilnehmer schlafen, Stress erleben und wie viele Schritte täglich mehr gelaufen werden. Obwohl es auch deutlich positive Signale aus der Studie gibt, sieht Backmann die Vier-Tage-Woche nicht als Allheilmittel, berichtet die Tagesschau.
Vier Tage Arbeit – viele Unternehmen sind skeptisch
Über ausgegebene Fitnesstracker wurde bei den Beteiligten der Viertagewoche nachgewiesen, dass sie weniger Stressminuten erlebten als die Kontrollgruppe. Auch sieht die Studienleiterin signifikant positive Veränderungen bei der Lebenszufriedenheit, die sich durch die zusätzliche Freizeit ergab. Unternehmen sind jedoch skeptisch und möchten die Fünf-Tage-Woche beibehalten. Sie sehen die Produktivität gefährdet.
Es gibt aber Hinweise im Pilotprojekt aus Münster, dass sich trotz der verkürzten Arbeitswoche noch Effizienzpotenziale finden lassen. Etwa dadurch, dass überflüssige Meetings wegfallen oder die notwendigen Meetings entsprechend kürzer ausfallen. Die Häufigkeit von internen Besprechungen wird laut der FAZ von einem Viertel der Befragten geschätzt, die überdies auch neue digitale Werkzeuge in den betrieblichen Alltag einführen.
Die Pilotstudie zeigt aber auch Herausforderungen einer kurzen Arbeitswoche
Steffen Kampeter, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände BDA, kritisiert die Studie allerdings und sieht die Ergebnisse sehr kritisch. Das begründet er in der FAZ vor allem damit, dass es nur eine kleine Zahl von Unternehmen war, die sich für die Studie aktiv beworben hatte. Insgesamt nahmen 41 Betriebe teil und führten für die Dauer der Pilotphase die 4-Tage-Woche ein.
„Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stünden, hätten sich bewusst gegen eine Teilnahme an dem Versuch entschieden, berichtet er mit Blick auf die Mitglieder seiner Vereinigung. Sie wissen, dass es Produktivitätsreserven in diesen Größen nicht gibt.“ Quelle: FAZ
Auch der Arbeitsmarktfachmann Weber sieht die Studie nicht als repräsentativ an und weist darauf hin, dass die Umstellung aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland auf eine Viertagewoche rund 15 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Stundenkapazität kosten würde. Er sieht darin eine große Gefahr, denn die Produktivität ließe sich aus seiner Sicht so nicht im notwendigen Maße steigern.
Braucht Deutschland eine Vier-Tage-Woche?
Im November 2023 forderte die IG Metall für die anstehende Tarifrunde die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Später rückte sie aber von ihren Forderungen ab, obwohl sich die Gewerkschaft auf verschiedene Studien stützte. Deren Ergebnisse konnte die im Oktober 2024 veröffentlichte Studie zwar in Teilen belegen, aber die Resultate sind nicht repräsentativ. Zwei Versuchsteilnehmer brachen die Studie aus Münster frühzeitig ab. Als Gründe wurden wirtschaftliche Herausforderungen und mangelnde interne Unterstützung genannt.
Die beiden Studienabbrecher kamen aus dem Fertigungssektor und gehörten zu den mittelgroßen Betrieben. Auch in anderen Branchen sieht man die verkürzte Arbeitswoche als nicht praktikabel, etwas im Handwerk oder der Pflege. Beides Bereiche, in denen Arbeitskräfte fehlen und die Verkürzung der Arbeitswoche nicht mit den vorhandenen Ressourcen zu stemmen sein könnte.
Start-ups und Tech-Unternehmen sind weitaus offener für die Idee aus den 2010er-Jahren. 2019 testete Microsoft das Arbeitszeitmodell in Japan, doch es handelte sich keinesfalls um einen kurzlebigen Trend. Schon 1908 wurde in den USA von einer 6-Tage-Woche auf die 5-Tage-Woche umgestellt. 1930 folgte die flächendeckende Einführung.
Unterstützer argumentieren, dass sich die Work-Life-Balance verbessert und damit die Produktivität in Betrieben gesteigert wird. Kritiker betonen, dass es stressig und herausfordernd sein kann, das gleiche Arbeitspensum in nur vier, statt fünf Tagen zu erledigen. Außerdem kann die Anhäufung von Aufgaben auch hohen Druck auf Mitarbeiter ausüben.
Weniger Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich – ein Fazit
Viele Studien zeigen einen positiven Effekt der Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn. Als Krisenmanagement kann das Arbeitszeitmodell auch bei Absatzkrisen helfen und Massenentlassungen wie 1994 bei VW verhindern. In Schichtbetrieben lässt sich das Modell meist besser einführen als in betreuungsintensiven Berufen wie im Kindergarten, der Pflege oder in der Logistik.
Bisher fehlt es aber an repräsentativen Studien, die einen Zusammenhang zwischen der verkürzten Arbeitswoche und besserer Produktivität in Unternehmen herstellen. Die Produktivitätssteigerungen, die häufig in dem Zusammenhang angepriesen werden, lassen sich in vielen Organisationen schon jetzt nicht erwirtschaften, da es an Fachkräften mangelt. Hierarchische Führungsstile verhindern überdies häufig die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle.
Um 20 Prozent weniger Arbeitszeit mit gleichem Lohn abzudecken, müssten auch viele traditionelle und vorwiegend nicht digitale Prozesse zunächst optimiert werden. Ein verringertes Arbeitsvolumen würde zudem für viele Branchen den ohnehin eklatanten Fachkräftemangel überdies verschärfen.