Zweifelsohne befindet sich das Recruiting unter den Einflüssen der Digital Natives und der digitalen Transformation im Umbruch. Werte, die für unsere Eltern und Großeltern gültig waren, versetzen heute keinen Bewerber mehr in Verzückung für den neuen Arbeitgeber. Lösungen müssen her, um im Fachkräftemangel und den Lasten der demografischen Veränderungen überhaupt noch Personal finden zu können.
Veränderungsprozess bereits im vollen Gange
Im Frühjahr 2022 ergab der halbjährlich erscheinende Deloitte CFO Survey, dass es bei den Konjunkturerwartungen einen negativen Trend gibt. Weiterhin belastet der Fachkräftemangel die Unternehmen. Demnach sehen diesen 66 % der Befragten als hohes Risiko an. Gegenüber dem Herbst 2021 mit 65 % steht hier nur eine leichte Verschlechterung im Raum, das Thema ist also schon länger auf der Agenda.
Der Fachkräftemangel bleibt zentrales Thema und ist damit für fast 2/3 der Unternehmer ein ernstzunehmendes Risiko, dessen Lösung nur neue Rahmenbedingungen sein können. Heterogene Belegschaften, also Belegschaften aus Mitarbeitern verschiedener Altersgruppen und Beschäftigungsverhältnisse, sowie Unterschiede in Motivationen, Leitwerten, Bedürfnissen und Anforderungen stellen Unternehmen überdies vor große Herausforderungen im Personalmanagement.
Das Gehalt allein überzeugt nicht mehr
Klare Verantwortlichkeiten, eine effektive Führung bei gleichzeitig wertschätzendem Umgang und einer sinnvollen Aufgabe – das sind die neuen Themen, die Mitarbeiter jeder Altersgruppe bei Befragungen nennen. Zwar legen ältere Mitarbeiter meist mehr Wert auf die Sinnhaftigkeit ihrer Aufgaben, während jüngeren Arbeitnehmern das Verhalten von Führungskräften wichtig ist. Aber mit Geld und geldwerten Vorteilen werden Recruiting-Maßnahmen zukünftig allein nicht für Erfolg sorgen.
Eine Umfrage der Plattform Kununu zeigt, dass 49 % der Deutschen die Höhe ihres Gehaltes als wichtig erachten, um dauerhaft eine berufliche Zufriedenheit zu erfahren. Aber auch die Arbeitszeit spielt laut der Umfrage eine wichtige Rolle, denn für 62 % beeinflussen die Arbeitszeiten das allgemeine Wohlbefinden im Job. 55 % gaben an, dass die Wertschätzung durch Arbeitgeber wichtig für sie sei. Zusatzleistungen sehen hingegen nur noch 29 bzw. 27 % der Befragten als relevant an, um ihre berufliche Zufriedenheit zu fördern.
New Hiring prägt das zukünftige Recruiting
Die Personalsuche fordert ein agileres Vorgehen von Arbeitgebern und die Rahmenbedingungen für die Suche sind längst abgesteckt. Die Generationen Y und Z haben die Arbeitswelt mächtig durcheinandergewirbelt und für Verschiebungen am Arbeitsmarkt gesorgt. Die Auswirkungen dieser Veränderungen haben sich durch die Effekte der globalen Krisen, den Übergang der Babyboomer in die Rente und die Zuwanderung verstärkt.
Hinzu kommt die Digitalisierung, die von Arbeitgebern Entwicklungen gefordert hat, die normalerweise mehrere Jahre dauern. Sie mussten in Rekordgeschwindigkeit ihr HR modernisieren, strukturieren und neu ausrichten. Methoden, Konzepte und Tools wurden zukunftsfähig gemacht, um die richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit finden und diese dann vor allem auch zu behalten. New Hiring ist eine Strategie, bei der der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Es geht weniger um die Präsentation des eigenen Können, sondern vielmehr um die Überzeugung der Unternehmen, ein guter Arbeitgeber für den möglichen Mitarbeiter zu sein.
Das Blatt hat sich gewendet, nicht mehr der Arbeitgeber wählt aus einer Vielzahl von Bewerbungen den passenden Angestellten aus, sondern der Bewerber vergleicht in Ruhe die Angebote der potenziellen zukünftigen Arbeitgeber. Und dabei geht es vom ersten Kontakt an überaus strukturiert und sachlich vor. Er weiß um seine Macht am leergefegten Arbeitsmarkt und ist sich bewusst, dass er sich nicht jahrelang an einen Arbeitgeber binden muss.
New Hiring bedeutet auch, neue Prioritäten zu setzen und an der internen Führungsmentalität zu arbeiten. Sind Mitarbeiter mit dem Führungsverhalten nicht einverstanden, steigt ihre Wechselbereitschaft, die grundsätzlich in der heutigen Zeit überaus hoch ist, noch einmal an. Immaterielle Kriterien wie Führungsstil, Transparenz und Work-Life-Balance sind nur einige Aspekte, die den Weg in die HR-Strategien der Unternehmen finden müssen.
Kommunikation auf Augenhöhe
Bewerbungsgespräche waren über Jahre und Jahrzehnte von einer gewissen Ehrfurcht geprägt, und zwar auf Seiten der Bewerber. Der Ruf ins persönliche Gespräch ist häufig verbunden mit Nervosität und Unsicherheiten. Doch das sieht heutzutage ganz anders aus. Bewerber kommen in Lieblingskleidung, sind kommunikativ, von ihren Leistungen überzeugt und erwarten eine authentische Präsentation ihres Gegenübers, dem potenziellen neuen Arbeitgeber.
Der Kommunikation in Vorstellungsgespräche kommt eine völlig neue Bedeutung zu, denn es geht nicht um hierarchisch geprägte Verhaltensmuster und tiefer Dankbarkeit bei Zusage, sondern um einfache Kontaktmöglichkeiten im Vorfeld und einen unkomplizierten Bewerbungsprozess. Das schnelle Feedback wird nach der Bewerbung oder dem Gespräch erwartet, vorher will der Jobsuchende aber vieles vom Unternehmen wissen und stellt viele Fragen.
Nicht wenige davon sind kritisch oder hinterfragen Angaben aus Hochglanzbroschüren. Sie wollen wissen, warum die Stelle frei ist, welche Werte im Unternehmen eine Rolle spielen, wo das soziale Engagement liegt und wie die Arbeitszeiten sowie Home-Office-Möglichkeiten gegeben sind. Ehrlichkeit über die kommende Arbeitssituation ist gefragt und wird von Bewerbern geschätzt. Auch bei einer Absage halten viele in Form von Newslettern oder Job-Alerts Kontakt zum Unternehmen.
Kultureller Wandel für das neue Recruiting
Der kulturelle Wandel macht die Zusammenarbeit der Generationen möglich, doch kann dies nur funktionieren, wenn Arbeitgeber sich auf den Wandel einstellen und ihn durchdacht vorbringen. Mitarbeiter spüren den Druck der in Gang gesetzten Transformationen ebenso und stemmen sich häufig gegen Veränderungen. Aber die Suche nach neuen Talenten ist überlebenswichtig für die Unternehmen, es bleibt ihnen also nichts anderes übrig, als dieses in den Vordergrund zu stellen und strategisch anzugehen.
Starre Bewerbungsprozesse und faktenbasierte Entscheidungen gehören der Vergangenheit an. Stattdessen sind konsequent an den Bedürfnissen der Bewerber orientierte Prozesse wichtig. Der Mensch rückt als Individuum in den Mittelpunkt, und das gilt auch für bestehende Mitarbeiter. Doch hier kommt häufig der Satz „das haben wir immer schon so gemacht“ ins Spiel.
Gerade Mitarbeiter mit klaren Stärken, die gewohnte Abläufe und Routinen benötigen, haben mit den Veränderungen Probleme. Sie funktionieren einfach gut, erhalten dafür ihr Gehalt und sind zufrieden. Doch genau sie sind meistens diejenigen, die nicht abrupt alles anders machen können und Veränderungen nur in kleinen Dosen verkraften.
Change-Management ebnet Weg für New Hiring
Als Teil der Belegschaft müssen aber alle Mitarbeiter in die Pflicht genommen werden, denn auch wenn ihre Angst vor größerer Verantwortung oder neuen Aufgaben verständlich ist, New Hiring bedeutet auch, Widerstände aufzulösen. Mit einem strategischen Ansatz zum Change-Management gelingt die erfolgreiche Kehrtwende beim Recruiting. Er hilft Führungskräften dabei, diesen Prozess zu fördern und zeigt auf, dass bewährte Routinen nicht mehr gültig sind.
Auf dem Weg zu neuen Verhaltensweisen übernehmen Führungskräfte im Change-Management nicht nur eine Vorbildfunktion. Sie bereiten Veränderungen vor und machen die Mitarbeiter mit den neuen Rahmenbedingungen vertraut.
Dazu gehört beispielsweise:
- Veränderungen positiv argumentieren
- Notwendigkeit der Veränderungen anhand von Fakten belegen
- Vergleich von Ist- mit Soll-Zustand
- Definition neuer Prozesse und entsprechender Schulungsmaßnahmen
- Routinen wiederholen und Lob aussprechen
- Regelmäßige Überprüfung des Fortschritts
Um Verhalten und alte Denkmuster aufzubrechen, braucht es Zeit. Doch die ist knapp, denn der Arbeitsmarkt ist praktisch leer. Unternehmen müssen die passenden Rahmenbedingungen schaffen, um den Anschluss nicht völlig zu verlieren und künftig auf genug Ressourcen zurückgreifen zu können. Sie selbst, also die Führungskräfte, gehen diesen Weg als Vorbild voran.
New Hiring bedeutet, den Wandel anzunehmen und die Prozesse auf die Bedürfnisse der Bewerber anzupassen. Es bleibt nichts anderes übrig, also dies zu tun, andernfalls bleiben Unternehmen in der digitalen Transformation zwangsläufig stecken und schaffen es vielleicht nie, die aktuellen Herausforderungen zu meistern.