Recruiter erleben Nachfrage-Boom

Nicht nur die systemrelevanten Berufe sind unter dem Einfluss der Pandemie stark nachgefragt. Trotz drohender Rezession und hoher Verbraucherpreise ist die deutsche Wirtschaft in nahezu allen Branchen ausgelastet und läuft mit Vollbeschäftigung.

Doch die reicht bei Weitem nicht aus, denn der Fachkräftemangel hat sich in den vergangenen Monaten noch einmal verschärft. Grund ist dafür auch der Mangel an Auszubildenden, den es schon seit mehreren Jahren gibt.

Von Oktober 2022 bis Juli 2023 wurden der Bundesagentur für Arbeit 509.000 betriebliche Ausbildungsstellen gemeldet, davon waren zum 1. August 2023 noch 228.000 unbesetzt. Die Zahl unbesetzter Lehrstellen ist hoch wie nie.

In der Folge leiden die Betriebe gleich doppelt unter der aktuellen Situation am Arbeitskräftemarkt. Sie können entweder gar keine oder nur schwer Auszubildende und aktuelle Mitarbeiter finden. Das verschärft die zukünftige Personalsuche noch einmal.

1 neue Stelle braucht 500 Bewerber

Einige Experten schätzen, dass jedes Unternehmen im Durchschnitt 50 Bewerber-Zugriffe auf eine Stellenanzeige benötigt, um eine Bewerbung zu generieren und 500 Bewerber, um eine Stelle erfolgreich zu besetzen.

Solche Zahlen werden in größeren Unternehmen als Recruiting Kennzahlen ermittelt. Allerdings bedeutet dies, es gibt eine spezielle Recruiting-Abteilung, die sich mit diesem Thema befasst.

Der Großteil der klassischen mittelständischen Betriebe hat diese Möglichkeit nicht und greift deshalb auf externe Personalagenturen, auch Headhunter genannt, zurück. Die erleben genau wie externe Personalvermittlungen derzeit einen Boom bei den eingehenden Anfragen.

Sie sind die Profiteure des Fachkräftemangels und des jahrelangen Verschlafens der drohenden Engpässe, denn viele Agenturen weisen schon länger auf die angespannte Situation am Arbeitskräftemarkt hin.

Für Arbeitgeberinnen / Arbeitgeber ist es auf diesem engen Arbeitsmarkt noch schwieriger geworden, ihre Vakanzen zu besetzen. Dieser Trend wird sich auch im kommenden Jahr fortsetzen. Ein wirtschaftlicher Abschwung könnte vielleicht zwischenzeitlich den Wettbewerb um Talente etwas mildern, aber grundsätzlich gehen die Economists von Glassdoor und Indeed davon aus, dass wir weiter ein vergleichsweise hohes Stellenniveau in Deutschland erleben werden. Quelle HR Journal, https://www.hrjournal.de/so-veraendern-sich-arbeitsmarkt-und-recruiting/

Die Unternehmen haben jetzt Ersatzbedarf, da jedes Jahr weniger Mitarbeiter zur Verfügung stehen und dies auch schon in den vergangenen Jahren so war. Höhere Löhnen sind keine Lösung und auch das Zurückholen von Älteren aus der Rente kann nicht für einen Ausgleich sorgen.

Auch Employer-Branding-Experten dringend gesucht

Alle Berufsgruppen rund um das Personalmanagement verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Nachfrage. Die starke Nachfrage liegt zum einen am demografischen Wandel, aber auch daran, dass immer mehr Unternehmen erkennen, dass das Thema Personal zu den Top-Themen der Chefetage gehört. Personalabteilungen geraten stärker in den Fokus, gleichzeitig werden die Anforderungen immer komplexer.

Insbesondere Experten für die Personalgewinnung sind gefragt wie nie, das Niveau vor der Pandemie wurde vielfach bereits um ein Dreifaches übertroffen, schreibt Personalwirtschaft Anfang 2022. Der Boom für Headhunter, Personaler und Recruiter ist in allen Branchen spürbar. Das Thema Fachkräftemangel will der ein oder andere nicht mehr hören, doch es geht erst jetzt richtig los damit.

Ein Weiter so im Recruiting wird nicht reichen, denn die Art, wie bisher an die Suche nach geeigneten Kandidaten gegangen wurde, ist altmodisch und ineffizient. Die Prinzipien haben sich seit Jahrzehnten nicht geändert, doch die Digitalisierung stellt Unternehmen nun vor große Herausforderungen. Als Folge verpassen viele Unternehmen passende Kandidaten.

In den nächsten Jahren wird sich dieser Trend noch verstärken, es wird immer schwerer sein, neue Mitarbeiter zu finden und offene Stellen zu besetzen. Es wird künftig wesentlich mehr offene Jobs als potenzielle Kandidaten geben. Da scheint die übliche Einteilung nach aktiver und passiver Jobsuche überholt.

Menschen haben mehr Chancen auf dem Jobmarkt als zuvor und sind wählerischer geworden. Sie wollen bereits vor der eventuellen Bewerbung einen Blick hinter die Kulissen eines Unternehmens werfen und sich ein Bild von dessen Kultur machen. Daher sind auch Spezialisten wie Employer-Branding-Experten stark nachgefragt. Doch natürlich ist auch dieser Sektor vom Fachkräftemangel betroffen.

Unternehmen wählen daher immer häufiger den Weg zu einem externen Dienstleister, der dafür sorgt, dass erfolgreiche Unternehmen auch leichter geeignete Fachkräfte finden. Dafür übernimmt der Dienstleister essenzielle Prozessschritte beim Recruiting und kümmert sich mit eigenem Skillset und moderner Technologie um die Suche nach den rar gesäten Mitarbeitern für seine Auftraggeber.

Das Buhlen um qualifizierte Arbeitskräfte

Immer mehr Menschen befinden sich in der Situation, dass sie sich ihren Arbeitgeber aussuchen können. Das klassische Recruiting mit Stellenanzeigen oder Active Sourcing über Netzwerke reicht schon lange nicht mehr aus, um das gewünschte Bewerberpublikum anzusprechen. Unternehmen sind händeringend auf der Suche nach guten Mitarbeitern.

Konnten sich die Personaler früher entspannt zurücklehnen und aus einem schier unerschöpflichen Pool an qualifizierten Bewerbern die Besten aussuchen, herrscht heute vielfach Ahnungslosigkeit, Überforderung und Verzweiflung. Anstatt von Jobkandidaten bewerben sich die Unternehmen bei Arbeitskräften. Um weg von klassischen Bewerbungsgesprächen hin zu einer offenen Gesprächskultur zu gelangen, benötigen viele Unternehmen Hilfe.

Die Zahl der offenen Stellen ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. Im Jahresdurchschnitt lag sie für qualifizierte Fachkräfte bei über 1,3 Millionen. Im Vergleich zum Vorjahr ist sie somit um mehr als 300.000 angestiegen (plus 30,1 Prozent). Gleichzeitig ist die Zahl an formal qualifizierten Arbeitslosen auf knapp eine Million zurückgegangen (minus 13,0 Prozent). Quelle: KOFA Kompakt 02/2023: Jahresrückblick 2022 Fachkräftesituation angespannter denn je. https://www.iwkoeln.de/studien/jurek-tiedemann-lydia-malin-jahresrueckblick-2022-fachkraeftesituation-angespannter-denn-je.html

 Externe Personaldienstleister sind entweder auf eine bestimmte Branche spezialisiert oder widmen sich bestimmten Bewerbergruppen. Kandidaten erhalten einen ersten Eindruck vom potenziellen Arbeitgeber in einem entspannten und informellen Kennenlernen. Damit das nicht zu streng strukturiert wirkt, setzt der Dienstleister seine spezifischen Kenntnisse und jahrelangen Erfahrungen ein.

Mit Rundumpaketen können Auftraggeber verschiedene Leistungen wie einzelne Bausteine bei HR-Agenturen einkaufen oder die Personalsuche von Anfang an in die Hände erfahrener Experten legen. Gute Agenturen sind beispielsweise in der Lage, visuell ansprechende und inhaltlich gut aufbereitete Recruiting-Videos aufzunehmen oder bringen ihre starken Sales- und Marketingkompetenzen ein. Abgerundet wird das Gesamtpaket durch Vorträge zu verschiedenen Karrieremöglichkeiten.

 Fazit: Auch wenn im vergangenen Jahr ausländische Fachkräfte ihre Berufsausbildung in Deutschland anerkennen lassen konnten, wird der Fachkräftemangel die Unternehmen hierzulande noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, beschäftigen. Unternehmen müssen zur Rekrutierung neuer Mitarbeiter kreativ sein, um aus der Vielzahl an Angeboten herauszustechen.

Doch Kreativität allein ist nicht die Lösung, denn Kompetenz und Transparenz sowie klare Leitbilder und einfache Bewerbungsprozesse sind ebenfalls notwendig, damit die Suche nach neuen Mitarbeitern nicht im Sande verläuft.

Ansprechende Marketingmaßnahmen müssen dafür sorgen, dass Unternehmen und ihre Benefits emotional und aufmerksamkeitsstark kommunizieren und Bewerber von der ersten Sekunde an offen, kompetent und vor allem effektiv betreut werden. Nur so können Unternehmen dem Personalmangel begegnen. Die demografische Krise trifft den deutschen Arbeitsmarkt darüber hinaus heftiger als viele andere westliche Volkswirtschaften.

Im Ergebnis sind viele Unternehmen auf die Expertise von externen Personalagenturen, Recruitern und Headhunter angewiesen. Unternehmen müssen sich schnell auf die neue Normalität einstellen und offensiv mit der Tatsache umgehen, dass sie in vielen Fällen mit den Herausforderungen überfordert sind.

Der Wettbewerb um die besten Talente wird auch im nächsten Jahr große Anstrengungen der Unternehmen erfordern. Es ist jetzt dringend angeraten, sich auf die neue Phase der Personalsuche einzustellen und externe Hilfe und Unterstützung einzuholen.